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  • u.nic.orn

Spring und lerne wie man fliegt


Ich habe Angst, denn ich weiss nicht wie man fliegt. Ein Zitat, dass ich gehört habe und mir augenblicklich gefiel. Aus dem Kontext gerissen klingt es unglaublich schön und so überdacht. War es vermutlich auch. Wenn ich so darüber nachdenke, findet sich jeder darin ein kleines Stück selbst wieder. Mir geht es zumindest so. Es gibt oftmals diese Momente bei denen ich kurz inne halte und daran denke. Ich beginne etwas neues und habe keine Ahnung wie es geht. Angst ist vielleicht nicht das richtige Wort aber eine gewisse Leere und Ungewissheit ist vorhanden. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist Angst doch das richtige Wort. Ich denke zuviel über Dinge nach. Oftmals zerdenke ich es auch.

Ich hab mir mal selbst geschworen, weniger zu denken und mehr zu handeln oder einfach zu reden. Du kennst das Sprichwort "Reden ist Silber, schweigen ist Gold". Das mag manchmal zutreffen aber ich bin nicht der Meinung das Schweigen immer besser ist. Sehr oft ist es doch genau umgekehrt. Sprechen. Miteinander sprechen ist das wichtigste. Doch wieso tun wir es nicht? Wieso tue ich es nicht? Über alle Schichten und Bereiche scheint sich dieses Problem durchzuziehen. Immer wieder beobachte ich, wie allerlei schief läuft, weil einfach nicht miteinander gesprochen wird. Als ich eine Zeit lang von zu Hause aus gearbeitet habe, bin ich über einen interessanten Blogbeitrag gestolpert. Er handelte davon, dass Teams, die remote arbeiten, überkommunizieren sollen. Bewusst zu viel sprechen, zu viel nachfragen auf Nummer sicher gehen und zwar zweimal.

Ich finde diesen Ansatz sehr interessant und vielleicht ist er nicht nur auf diesen Fall anzuwenden, sondern auch in anderen Gebieten nützlich. Also habe ich damit begonnen in vielen Bereichen zu viel zu kommunizieren. Ich wurde nicht zur Quasseltante und habe nicht übermässig mehr gesprochen als notwendig gewesen wäre oder ich es ohnehin schon tat, doch wenn ich es tat, dann fragte ich expliziter nach, fragte zwei mal nach.

Mir selbst hat das viel gebracht. Ich weiss nicht, ob es daran liegt oder ob sich dadurch eine Grundeinstellung in mir verändert hat aber oftmals stelle ich fest, dass ich an den ungewöhnlichsten Orten mit Leuten ins Gespräch komme. Nicht weil ich sie anspreche aber weil sie beginnen mit mir zu sprechen und ich finde das durchaus interessant. Nicht immer natürlich. Auf einige zufällige Bekanntschaften könnte ich verzichten aber das ist wohl der Preis, den man bezahlt, wenn man versucht möglichst aufgeschlossen zu sein. Selbstverständlich sollte auch immer eine gewisse Prise misstrauen dabei sein, die Welt kann ein ganz schönes Arschloch sein und auch eben solche hervorbringen.

So viel habe ich bereits gelernt und nicht auf die nette Tour. Wobei das auch immer im richtigen Verhältnis betrachtet werden muss. In anderen Ecken der Welt ist das gar nichts oder es hätte noch bedeutend schlimmer kommen können. So gesehen hatte ich also Glück.

Ich mag es mit vermeintlichen Fremden ins Gespräch zu kommen und mehr über diese Personen zu erfahren. Der Blick über den Tellerrand ist überall von Vorteil. Befindet sich der Geist und die Meinung immer im selben wohlbehüteten wattierten Kreis von Freunden und von Algorithmen vorgepflügten Pfaden, beginnt man zu denken, dass die eigene Meinung die einzig richtige ist und es die anderen sowieso nicht verstehen. Sie würden es nicht verstehen, selbst wenn wir es ihnen erklären würden aber das wollen wir gar nicht. Wir wollen sie lediglich von unserer vorgefertigten Meinung überzeugen. Ich bin da genau so. Allerdings höre ich mir auch die anderen Meinungen an, mögen sie noch so abstrus sein, und versuche sie ein Stück weit zu verstehen oder vielleicht sogar nachzuvollziehen. Nicht dass ich die Ansichten teile aber ich will verstehen woher sie stammt, und wie sie sich entwickelt hat, dort gelandet ist wo sie jetzt ist und unverrückbar oder unerschütterlich wirkt. Irgend etwas muss diese Meinungen und Ansichten doch auslösen.

Ich habe ein Interview von jemandem gelesen, der durch seinen Facebookfeed so in seiner Meinung isoliert wurde, dass er sich gar nicht mehr daraus befreien konnte. Er hatte sich für die radikale Variante entschieden und alle seine "Gefällt mir" Angaben von allen Seiten entfernt. Tabula rasa. Er hat auf einer grünen Wiese oder auf einem weissen Blatt neu begonnen. Die Folge war, dass sich seine Meinung in vielen Bereichen drastisch verändert hat. Die Geschichte war irgendwie gut und hat in mir Hoffnung geweckt aber auch Angst hervorgebracht. Was wenn mir genau das gleiche passiert ist? Was, wenn ich so in das Meer von gleichgesinnten eingetaucht bin, dass ich darin drohe zu ertrinken und mir selbst gar keine eigene Meinung mehr bilden kann? Wo liegt die Grenze zwischen dem stigmatisierten gut und böse? Gibt es in einer schnellebigen Welt wie heute überhaupt noch so etwas wie gut und böse oder rot und grün oder links und rechts und richtig und falsch?

Wie bei allen Dingen muss die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen und ich bin sicherlich auf die eine oder andere Weise beinflusst und tendiere zu einer Seite. Mein richtig mag aber bei anderen ein falsch und mein böse ein gut sein. Ich möchte nicht sagen, dass soziale Medien schlecht sind, dafür bin ich einerseits viel zu sehr darin verwickelt und andererseits auch viel zu abhängig davon. Nicht selten ertappe ich mich dabei, wie ich unterbewusst und heimlich die Likes eines Beitrags zähle oder mich über Kommentare freue. Es ist ein sehr mächtiges Instrument, dass richtig eingesetzt viel gutes bewirken und Menschen auch tatsächlich verbinden kann und darauf möchte ich mich konzentrieren. Der Teufel muss nicht immer vorsorglich an die Wand gemalt werden. Passiert dann nichts schlimmes ist es eben Glück und falls doch, dann hat man es ja bereits vorausgesagt. Wir lieben es doch alle am Ende recht zu behalten.

Um auf den Beginn zurückzukommen: Ich habe Angst, denn ich weiss nicht wie man fliegt. Natürlich habe ich Angst aber nicht so sehr, dass ich mich davon lähmen lasse. Ich habe Angst und bin Vorsichtig. Ich weiss nicht wie man fliegt aber was solls, wenn ich es brauchen werde oder wissen möchte, dann werde ich es schon lernen. Doch bis es soweit ist werde ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen und mich fragen was passieren könnte, wenn X und Y eintreffen und vielleicht Z auch irgendwie passiert. Ich kann es ja nicht wissen und muss mich wohl oder übel vom Abhang hinunterstürzen und auf das Beste hoffen. Denn was haben wir denn überhaupt für eine andere Möglichkeit in dieser verrückten Achterbahnfahrt namens Leben?

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